Christina zu Mecklenburg

Birds, Plants und Pots

Ausstellungsprojekt von Stefan auf der Maur und Lukas Thein

„Birds, Plants und Pots“

Ausstellungsprojekt von Stefan auf der Maur und Lukas Thein.

(Vernissage, Sonntag, 12. Januar 2025, Kurfürstliches Gärtnerhaus).

Inmitten von turbulent hereinbrechender Winterherrschaft und finsteren Schneeorgien haben Stefan auf der Maur und Lukas Thein mithilfe eines Kleinwagens dieses faszinierende Gemeinschaftsprojekt allmählich gedeihen lassen. „Birds, Plants and Pots“ glänzt mit der sinnlichen Kraft und der spannungsgrundierten Ästhetik einer atemberaubenden Fülle und frappierenden Vielfalt an verwunderlichen Formen, Farben (Grünnuancen), Oberflächen, Bildträgern, Materialmixturen oder Werkstofferfindungen.

Das fast sechzigteilige Werkensemble spielt immer wieder dezent auf das diffizile und fragile Verhältnis zwischen Mensch, Natur, Kultur und Zivilisation an.

In situ entwickelt haben beide Künstler eine kongeniale Inszenierung, die punktuell das Bild einer Wunderkammer oder einer Privat-Sammlung, eines naturkundlichen (botanischen, zoologischen und auch archäologischen) Institutes aufgreift. Die Vorstellung, eines um Vogelwelten, Pflanzenreiche und andere Biotope kreisenden „Mood Board“ oder Hortus Conclusus verdichtet eine Wandassemblage, die teils mit einem Augenzwinkern erinnert an die Blumen und Vogel Ornamentik von Chinoiserien.

Die diagonal den Schauplatz durchfurchende Bodeninstallation mit ihren unterschiedlich hohen Postamenten löst eine gewisse Dynamisierung des übergreifend eher kontemplativ poetischen Tenors aus.

Zwei Blickmagneten erregen unsere Aufmerksamkeit: das malerische Diptychon „Landschaft mit Feuerlilien“(eine Eitempera- Lasuren Komposition von Lukas; frische, lyrische Bildqualitäten!) und das barocke Stillleben „Paradise Lost“ (Ölgemälde von Stefan). Die romantische Traum- und Sehnsuchtslandschaft von Lukas Thein (Feuerlilie=koreanisches Sinnbild für Leidenschaft, Ausdauer, Unsterblichkeit) ist eine Form von Fantasie Hommage an die ungebrochene, ursprüngliche Schönheit koreanischer Berglandschaften. Das eher dekorativ, künstlich und zerzaust anmutende Stillleben paraphrasiert die Tradition des Vanitas Topos. Ein trompe dóeil Rahmen toppt die altmeisterliche Paraphrase.

Kontrapunkt hierzu bildet wiederum das bezwingende Blumenfensteridyll von Lukas Thein. Anklänge an den asiatischen „Weg der Blumen“ deuten sich an in vasen- und blumenbankähnlichen (Assoziation: Vogeltränke) Keramikbehältnissen, in Formableitungen, Formverfremdungen und Formfindungen, die sich punktuell entzünden an fernöstlichen Kult- und Ritual- oder Gebrauchsgegenständen. Hier lässt Lukas den spielerischen Charme nicht perfekter, schwer kategorisierbarer, teils archaisch anmutender Handarbeit triumphieren. So manch Objekt und Bild erinnert entfernt daran, dass Blumen im fernen Osten über ihre inspirierende Schönheit hinaus ebenso existentielle und spirituelle Wertigkeiten wie Balance, langes Leben verkörpern können.

Sing-Vögel, die er im Naturparadies Panama sichtete, hat Stefan auf der Maur bereits vor Ort mit Ölfarbe auf Plastiktaschen gebannt; farbenfrohlockendes Gefieder, lapidar, kryptisch dahingetupfte, malerisch leuchtende Organismen auf oft bunte oder reklamebehaftete Einkaufs- Gemüse- oder Abfalltüten; eine unterschwellig ungemütlich stimmende Fusion zwischen Natur/Kreatur und Plastik/Konsum- und Wegwerfgesellschaft. Und wie man auf Schritt und Tritt entdeckt, gesellen sich zu den dauerhaft aktuellen Shoppingbags noch ganz andere schräge, bizarre und kunstferne Bildfundamente: Drahtgebilde, Korbdeckel, Fensterscheibensplitter, Ziegel, Sackfetzen, spröde Undefinierbarkeiten. Und dann werfen Sie bitte einen Blick auf die raffinierten, patentreifen Hängevorrichtungen!!!

Das Laborieren mit unkonventionellen, konsternierenden Bildträgern, darunter nicht ungerne „Güsel“, was in der Schweiz Abfall, Müll, Schrott, Treibgut, Reste bedeutet, diese hohe Aufmerksamkeit gegenüber, auf dem Komposthaufen des Lebens aufgegabelten Unscheinbarkeiten eint Stefan und Lukas. Selbst geschöpfte, aus Überbleibseln zusammengebraute Papiere, Aktendeckel, Tapetensegmente, zerschlissene Pappen, Tüten gehören zu einer permanent aufgestockten Altpapierkollektion.

Fast alle Vogelspezies, aber auch die botanischen Impressionen (wie insektenvertilgende Pflanzen, Digitalis Purpura/ Druckvariationen, Scherenschnittähnliche Bildpläne, Collagen) erscheinen vertraut, und doch partiell seltsam, fremd, eher malerisch, unwirklich und flüchtig, und wie in Lukas Bildwelt manchmal nur wie ein vages Stimmungskondensat, ein ornamentales Relikt, Blätter, die vereinzelt beidseitig be- und übermalt sind muten wie Fresken von Tag und Nacht an. Parallel wirken Stefans Vogelbildnisse mehr und mehr „wie aus der Ferne betrachtet“, phantomartig, schattenhaft und gleichzeitig geheimnisvoller, magnetisierender, elektrifizierender. Transponiert ins Objekthafte, Taktile, Haptische erreicht das Sujet eine neue Nähe.

Die „Balgen“ (vgl. „Goldfliege“), die sterblichen Vogelhüllen bilden eine formkompakte, schillernde Gesellschaft, sie ähneln Molchen, Amuletten, Fetischen, Kokons, Mumien, Inkubationen, Reliquien, sakralen Attributen oder Devotionalien. Und so wird der sonst kaum sichtbare Leitfaden vom Sein und Vergehen kurzfristig sichtbar.

 

Text: Christina zu Mecklenburg

Bonn, Januar 2025